Prinzipiell kann man zum stattgefundenen Stierkampf am 06. August 2015 sagen „the same procedure as every year“ – Stierkampfgegner auf der gegenüberliegenden Seite der Arena, drei Toreros, sechs Stiere, sechs Kämpfe und einige Ohren, die die Leistung der Toreros laut spanischer Tradition anerkennen. Und doch war irgendetwas anders als in den Jahren zuvor. Und das lag nicht nur am „Flitzer“, der die Arena nach dem ersten erlegten Stier stürmte. Mit nacktem Oberkörper sprang der Stierkampfgegner über die Balustrade, auf seinem Körper präsentierte er die mit schwarzem Stift geschriebenen Worte „Mallorca sin malirato animal“ (zu deutsch: Mallorca ohne getötete Tiere). Helfer und Polizisten konnten den Ausreißer zurück über den Zaun stoßen und abführen. Nein, es war noch vieles mehr anders als in den Vorjahren.

Demonstranten auf der anderen Straßenseite.

Stierkampf auf Mallorca ‚Nehmt uns unsere Tradition nicht weg‘

Vor der Arena fiel auf, dass sich wieder rund 300 Demonstranten auf der gegenüberliegenden Straßenseite versammelten. Das Bild, bestehend aus Menschen mit Plakaten und Trillerpfeifen, die von der Polizei auf kleinstem Raum gehalten wurden, ist bereits aus den vergangenen Jahren bekannt. Die Polizeipräsenz war allerdings deutlich höher. Möglicherweise ahnten die Beamten, dass das Thema Stierkampf in diesem Jahr noch brisanter einzustufen sein könnte, denn eigentlich habe die neue Linksregierung Palma de Mallorca bereits am 31. Juli 2015 zur stierkampffreien Zone erklärt. Offensichtlich hat der Antrag aber noch nicht alle Stufen durchlaufen und konnte so bislang nicht ausreichend verabschiedet werden. Die Stierkampfarena, auf dem Plaza de Toros ist in Privatbesitz und somit ist es Sache der Landesregierung, Kämpfe zu verbieten. Das Coliseo Balear öffnete also am 06.08.2015 gegen 20 Uhr ihre Pforten für die Corrida. Auffällig war außerdem, dass alle Schalter des Kassenhäuschens geöffnet hatten und die Menschenmengen, die noch Tickets an der Abendkasse kaufen wollten, beachtlich. Direkt nach dem Einlass erhielten die Zuschauer einen DIN A4 großen Flugzettel, der unterm Strich darum gebeten hat, die Stierkampftradition nicht zu beenden. „Genug ist genug – ein Land ohne Tradition ist ein leeres Land“, heißt der letzte Satz des Schreibens übersetzt.

Die Stierkampfarena auf dem Plaza de Toros / Mallorca

Stierkampfarena von Palma de Mallorca so voll wie lange nicht mehr

Auch die Optik des noch leeren Gemäuers viel direkt ins Auge. Anders als in den Vorjahren, wurde die Stierkampfarena geschmückt. Spanische sowie mallorquinische Flaggen, Blumen und Banner zierten Geländer, Treppen und Podeste. Waren in den letzten Jahren auch nur die Tribünen gegenüber dem Tor der Stiere mit Menschen gefüllt,

Der Stier nimmt das Pferd auf die Hörner

strömten die Zuschauer bis weit nach 22 Uhr in Scharen in die Arena, die sich letzten Endes zu 3/4 füllte. Die Toreros Morante de la Puebla, José María Manzanares und Alejandro Talavante kämpften gegen je zwei Stiere, die alle zwischen 470 und 560 Kilo wogen. José María Manzanares wurde in seinem ersten Kampf mit einem Ohr ausgezeichnet, Alejandro Talavante mit je einem Ohr in beiden Runden. Neben dem Flitzer gab es eine weitere Schreckenssekunde in der letzten Runde, als der 550 Kilo schwere Stier eines der Pferde auf die Hörner nahm. Die Situation konnte aber entschärft werden. Eine zerstörte Balustrade gab es, anders als im letzten Jahr, nicht.

Ehrenrunde fordert: „Libertad Tauromaquia“ („Freiheit für den Stierkampf“)

Ehrenrunde fordert: ‚Freiheit für den Stierkampf‘

Nachdem die Toreros ihre umjubelten Ehrenrunden drehten und Fächer, Taschen oder Hüte anfassten und küssten, wurden sie für eine weitere Ehrenrunde auf die Schultern genommen. Die Toreros wurden lautstark bejubelt, egal, ob von Kindern oder Erwachsenen. Sie erhielten Standing Ovation. Begleitet wurde die Runde von Zuschauern, die aus dem Publikum heraus, genau wie der Flitzer, über die Balustrade kletterten. Sie hielten ein Plakat mit den Worten „Freiheit für den Stierkampf“ bzw. mallorquinische Flaggen mit dem Wort „Freiheit“ hoch. Offensichtlich wird die Politik, die aktuell hinter diesem Thema steht, sehr ernst genommen.

War das der letzte Stierkampf auf Mallorca?

Das Mallorca Magazin berichtete, dass der Initiator der Kampagne „Mallorca sense sang“ (zu deutsch: Mallorca ohne Blut) am Dienstag (28. Juli 2015) rund 130.000 Unterschriften bei der Stadt Palma eingereicht habe. So forderten Anhänger der Gemeinschaft, auch Palma zur stierkampffreien Stadt erklären zu lassen. Auf Mallorca wäre es dann die 20. Gemeinde, die keine Stierkämpfe austragen darf. Für die Einen ist es Tierquälerei, für die Anderen ist der Stierkampf eine Tradition sowie Kunst. Kaum jemand weiß, dass der Stierkampf am 06. August 2015 nicht der erste auf Mallorca in 2015 war. Erst am 26. Juli 2015 fand ein Stierkampf in Alúdia statt, einer kleineren Stierkampfarena.

UPDATE 11:22 Uhr: Möglicherweise wird Ende August 2015 bereits der nächste Stierkampf in Palma de Mallorca, im Coliseo Balear stattfinden. Die Arena ist in Privatbesitz und Veranstalter arbeiten offensichtlich „gegen die Zeit“, denn das Verbot, Stierkämpfe auszurichten, rückt näher.